“Zeitenwende” – Wort des Jahres
Der Begriff “Zeitenwende” ist von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) zum Wort des Jahres 2022 gekürt worden. Der Begriff steht im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und wurde unter anderem von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgegriffen und geprägt.
Das Wort “Zeitenwende” ist spätestens seit den 1920er Jahren bekannt. Es meint in allgemeinen einen Wendepunkt, den Übergang von einer alten Ära in ein neues Zeitalter.
Wieso wurde es die “Zeitenwende”?
(Presse-Info vom GFDS) Der russische Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 markiere eine »Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinentes«. Olaf Scholz hatte den Begriff im Februar verwendet und ihn geprägt. Bundespräsident Steinmeier sprach im gleichen Zusammenhang von einem »Epochenbruch«. Die deutsche Wirtschafts- und Energiepolitik musste sich völlig neu ausrichten. Verhältnisse zu anderen internationalen Partnern wie China wurden gleichfalls kritisch beleuchtet. Bei vielen Menschen fand auch eine emotionale Wende statt. Angst und Sorge vor einem Atomkrieg in Europa, gar vor einem dritten Weltkrieg waren vielfach zu spüren.
Auch aus anderen Gründen wurde das Jahr 2022 häufiger als Wendepunkt empfunden.
Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) organisierte von April bis Juni eine Diskussionsreihe mit dem Titel (Un)sicherheit in der Zeitenwende und erläuterte: »Mit dem Krieg in der Ukraine, der Pandemie, dem Klimawandel erleben wir die Gleichzeitigkeit dreier transformativer Krisen.« (https://www.wzb.eu/de/veranstaltungen/seminare-und-kolloquien/unsicherheit-in-der-zeitenwende#).
Zudem ließen die finanziellen Belastungen, die bei einer Inflation von 10 Prozent einer großen Mehrheit der Bevölkerung zu schaffen machten, eine Zeitenwende empfinden. Vor allem die Energiepreise wurden durch das Embargo gegen russisches Gas und Öl nach oben getrieben: Sie stiegen um fast 50 Prozent. Zur Bekämpfung der Teuerung hob die Europäische Zentralbank den Leitzins an und änderte dadurch ihre langjährige Geldpolitik, die das Sparen, eine ehemals deutsche Tugend, unrentabel gemacht hatte.
Einen mentalen Wandel verspürten offenbar vor allem ältere Menschen auch angesichts immer mehr um sich greifender Veränderungen im Sprachgebrauch.
Eine minimale Sprechpause zwischen Wortstamm und femininer Endung, die bislang als lautliche Entsprechung des sogenannten Gender-Sternchens galt (Politiker*innen, Lehrer*innen, usw.), fiel immer häufiger dem Sprechtempo zum Opfer oder wurde sogar absichtlich weggelassen – wodurch das generische Maskulinum (die männliche Form steht für alle Geschlechter) faktisch durch ein generisches Femininum abgelöst würde. Ob sich diese »Sprachwende« mit der Zeit auch allgemein durchsetzen wird, bleibt allerdings abzuwarten.
Welche Begriffe hätten es noch werden können?
Zur Auswahl für das Wort des Jahres standen, wie immer, 10 Worte. 2022 dabei:
- Zeitenwende
- Krieg um Frieden
- Gaspreisbremse
- Inflationsschmerz
- Klimakleber
- Doppel-Wumms
- neue Normalität
- 9-Euro-Ticket
- Glühwein-WM
- Waschlappentipps
Ebenfalls auf den Russland-Ukraine-Krieg bezieht sich der widersinnig anmutende Ausdruck Krieg um Frieden (Platz 2). Für die Moskauer Propaganda handelt es sich um eine militärische Spezialoperation, für viele, insbesondere in der NATO, schlicht um einen Angriffskrieg. Auch in politischen Parteien mit pazifistischer Tradition verbreitete sich die Ansicht, dass die Ukraine mit Waffen unterstützt werden müsse, um ihre staatliche Integrität verteidigen und später einen dauerhaften Frieden in Osteuropa erreichen zu können.
Die Gaspreisbremse (Platz 3), auch Gaspreisdeckel genannt, ist nur eines der Instrumente, mit der die Bundesregierung auf die eklatanten Preissteigerungen in vielen Lebensbereichen zu reagieren versucht. Deutschland erlebt derzeit nach verbreiteter Auffassung die schwerste Krise seit 50 Jahren. Die Teuerung trifft große Teile der Bevölkerung hart: Die Wortbildung Inflationsschmerz (Platz 4) bringt dies anschaulich zum Ausdruck.
Das Umweltbündnis »Letzte Generation« machte 2022 immer wieder spektakulär auf den drohenden Klimawandel aufmerksam. Aktivisten klebten sich in Museen an Kunstwerken fest, auf Straßen, Autobahnen und sogar Flughafen-Rollfeldern, um diese zu blockieren und eine Räumung durch die Polizei zu erschweren. Die Protestaktionen der Klimakleber (Platz 5), die auch Rettungswege versperrten, wurden in der Öffentlichkeit kontrovers debattiert.
Viele andere Wörter standen auch zur Auswahl: Doppel-Wumms (Platz 6), neue Normalität (Platz 7), 9-Euro-Ticket (Platz 8), Glühwein-WM (Platz 9) und Waschlappentipps (Platz 10).
Quelle: gfds.de
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