Was ist ein Kriegsverbrechen?
Krieg ist immer grausam, doch oft werden Kriegsverbrechen extra thematisiert – in den letzten Monaten auch immer wieder in Bezug auf den Ukraine-Krieg. Doch was ist das? Und wie bestraft man die Täter?
Eigentlich ist die Antwort einfach: Der Krieg an sich ist ein Verbrechen. Das Verbrechen der Aggression ist unter anderem in der UN-Charta verboten. Und der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag darf auch Einzelpersonen dafür bestrafen. Doch dafür braucht er die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates – und dort hat Russland ein Veto-Recht.
Das Aggressions-Verbot gehört zum allgemeinen Völkerrecht, es ist aber kein Kriegsverbrechen. Der Krieg ist ein Verbrechen, aber er ist kein Kriegsverbrechen? Wie kann das sein?
Was ein Kriegsverbrechen ist:
Die heute meistzitierte Quelle dazu, was ein Kriegsverbrechen ist, ist das Römische Statut des IStGH. In Artikel 8 werden beispielsweise folgende Straftaten gegen durch die Genfer Konventionen geschützte Personen (etwa Zivilbevölkerung, Kriegsgefangene, Unterhändler, Nichtkombattanten) definiert:
- Vorsätzliche Tötung,
- Folter, unmenschliche Behandlung, biologische Versuche,
- vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit,
- militärisch nicht gerechtfertigte und willkürliche Zerstörung und Aneignung von Eigentum,
- Entzug eines ordentlichen und fairen Gerichtsverfahren
- Rechtswidrige Vertreibung oder Überführung,
- Geiselnahme,
- Nötigung zum Dienst in einer feindlichen Streitkraft,
- Verwendung als menschliches Schutzschild,
- und weiteres
Zudem sind unter anderem folgende Straftaten als solche ein internationales Kriegsverbrechen:
- Vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung,
- Vorsätzliche Angriffe auf zivile Objekte,
- Vorsätzliches Führen eines Angriffs in der Kenntnis, dass dieser auch Verluste an Menschenleben, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte (…) verursachen wird, die eindeutig in keinem Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen,
- Angriff auf verteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude, die nicht-militärische Ziele sind,
- Tötung oder Verwundung eines Streitkraft-Angehörigen, der wehrlos ist oder die Waffen streckt,
- Vergewaltigung, (sexuelle) Sklaverei und Zwangsprostitution,
- Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase,
- Verwendung von Gift oder giftiger Waffen,
- Verwendung von Waffen und anderer Kriegsführung, die geeignet sind, unnötige Leiden und Verletzungen zu erzeugen,
- Vorsätzliches Aushungern von Zivilpersonen,
- Plünderung einer Stadt oder Siedlung
Es gibt noch viele weitere Punkte, so dürfen etwa keine Kinder unter fünfzehn Jahren zum Kriegsdienst verpflichtet oder in diesen eingegliedert werden. Kriegsverbrechen können von allen Beteiligten begangen werden. Heißt: Dass sie angegriffen wurde befreit die Ukraine nicht vom Völkerrecht, es werden die gleichen Maßstäbe angelegt, wie auch bei der russischen Invasionsarmee.
Was ein Kriegsverbrechen nicht ist:
So hart es klingt: Eine Tötung stellt in einem bewaffneten Konflikt nicht unbedingt ein Kriegsverbrechen dar. Es kommt darauf, an ob es sich um einen …
-
Kombattanten, also jemand, der einer sich im Konflikt befindlichen Streitkraft angehört (etwa ein Soldat oder anderer Kampfteilnehmer), und damit berechtigt ist unmittelbar am Kampf teilzunehmen
- Nichtkombattanten, also allen anderen, darunter Zivilpersonen, aber auch Kriegsgefangene, Sanitäter, verwundete Soldaten, oder die, die sich ergeben haben
… handelt.
Kombattanten dürfen im Kampf töten, aber sie dürfen auch getötet werden. Nichtkombattanten dürfen nicht an Kampfhandlungen teilnehmen und sie dürfen auch nicht bekämpft werden. Ist also jeder Tod eines Zivilisten ein Kriegsverbrechen?
Auch das ist nicht so einfach. Sogenannte Kollateralschäden, also Zivilisten, die bei einem rechtmäßigen Angriff auf militärische Objekte ihr Leben verlieren, sind zulässig. Die Angriffe müssen aber verhältnismäßig sein, die Kollateralschäden dürfen den militärischen Nutzen nicht deutlich überwiegen. Angriffe auf zivile Objekte hingegen stellen ein Kriegsverbrechen dar.
Kann man Putin vor Gericht stellen?
Zuständig für Kriegsverbrechen ist der Internationale Strafgerichtshof. Weder die Ukraine noch Russland sind Mitglied, aber die Ukraine hat dem Gericht bereits 2014 die Zuständigkeit für diese Taten auf ihrem Gebiet übertragen. Der Chefankläger am IStGH ermittelt seit Monaten zu russischen Kriegsverbrechen.
Zudem gilt das Weltrechtsprinzip, welches besagt, dass Verstöße gegen das Völkerstrafrecht von allen Ländern verfolgt werden können, auch wenn sie nicht auf ihrem Gebiet oder gegen einen ihrer Bürger begangen wurden. Deutschland vollzieht das Prinzip mit dem Völkerstrafgesetzbuch (VStGB). Der Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt werten ebenfalls Hinweise zu Taten in der Ukraine aus.
Und? Kann man Putin jetzt anklagen? Versuchen könnte man es. Solange er Staatschef ist, genießt er aber Immunität vor rechtlicher Verfolgung. Kommandeure und Soldaten kann man hingegen bereits jetzt zur Rechenschaft ziehen. In einem ersten Urteil hatte ein ukrainisches Gericht im Mai einen 21-jährigen Panzersoldaten zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte gestanden, auf Befehl seines Vorgesetzten einen 62-jährigen Zivilisten erschossen zu haben.
In anderen Konflikten gab es immer wieder Urteile, auch in Deutschland: Das Oberlandesgericht Koblenz sprach im Januar 2022 einen ehemaligen syrischen Geheimdienstler schuldig, der als Vernehmungschef in einem Gefängnis für die Folter von über 4000 Menschen verantwortlich gewesen sein soll, von denen mindestens 30 gestorben seien. Der Mann wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, Medien bezeichneten die Anklage der Bundesanwaltschaft damals als Dokument des Grauens. Der Syrer war desertiert und als Flüchtling nach Deutschland gekommen und hatte hier gelebt, bevor deutsche Sicherheitsbehörden ihn fest nahmen. (di)
Quellen:
- https://www.un.org/depts/german/internatrecht/roemstat1.html#T25
- https://www.icc-cpi.int/news/statement-icc-prosecutor-karim-aa-khan-qc-situation-ukraine-receipt-referrals-39-states
- https://web.archive.org/web/20111202153641/https://www.drk.de/fileadmin/Ueber_uns/_Dokumente/humanitares_voelkerrecht/Gewohnheitsrechtlichen%20Regeln%20des%20HVR%20-dt.pdf
- https://www.un.org/depts/german/internatrecht/roemstat1.html#T25
- https://www.gesetze-im-internet.de/vstgb/index.html#BJNR225410002BJNE001200000
- https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/fragen-und-antworten-faq-ukraine-krieg-vor-den-gerichten-igh-istgh-voelkerrecht-sanktionen/
- https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2022/07/22/ukraine-krieg-was-ist-ein-kriegsverbrechen-und-wann-ist-toeten-im-krieg-erlaubt/
- https://www.tagesschau.de/inland/olg-koblenz-staatsfolter-syrien-urteil-101.html
- (Foto) https://www.flickr.com/photos/gregerravik/48506086436/in/photolist-2gUjnz7-285jTvF-2n4XZqQ-2n8AxHZ-2n8AX55-2n8DGgU-2n8AXaa-2n8vvfD-6Dqc4U-6DqdDE-2n7Lo64-6DmjJt-2hpSCqD-6Dq3JE-6DmdfR-6Dm8y6-7RV1bU-7RRKrD-8GFutu-aRWZ4c-6DkZiK-nUaBJ1-2n4XZv4-2dJ7SJB-2gUjnxJ-qyMca6-MFw6rF-EGLSip-2nSpvv1-BcuzUa-2n51Spm-2mcevAj-RFY3j8-p6ZCoE-oRxq23-2n4Xwyg-ANuae1-aWh9xv-p8TVqR-2n4SAVJ-8ACMZz-9zFXDE-9zCYnK-9M8D8e-9zFXyh-dtNV8D-25VMPTX-UxagBA-p98u2h-2n4SB4u
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!