Russische Kriegsdienst-Verweigerer aufnehmen?
Es sei ein gutes Zeichen, dass sich viele Russen nicht an dem Krieg gegen die Ukraine beteiligen wollen, sagt Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Doch ob Deserteure auch Asyl bekommen sollen, ist eine andere Frage. Vor allem in der EU gibt es Streit.
Hintergrund: In Russland wurde vor kurzem eine sogenannte Teilmobilmachung verkündet. Um die 300.000 Männer sollen zum Kriegsdienst eingezogen werden, die bereits gedient haben oder über militärische Erfahrung verfügen. Es gibt aber immer mehr Berichte darüber, dass auch Russen eingezogen werden, die nicht unter diese Kategorien fallen. Deswegen flüchten jetzt auch Russen – sie wollen nicht zu Waffen greifen.
Wer den Kriegsdienst verweigere und damit in “größte Gefahr” geraten würde, der hat im Regelfall ein Recht auf ein Asyl, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der “FAZ”. Allerdings sei dies immer eine Einzelfall-Entscheidung, bei der auch eine Sicherheitsprüfung anfallen würde. Vor allem bei russischen Militärs müsse man wissen, wer ins Land komme. Bei ukrainischen Flüchtlingen ist dies hingegen anders: Dort wird grundsätzlich der gesamten Personengruppe ein Aufenthaltstitel gewährt.
Während Deutschland russischen Deserteuren Asyl in Aussicht stellt, lehnen die baltischen Staaten und Polen dies strikt ab. Man werde Menschen, die nur vor der Verantwortung gegen Putin zu kämpfen davonlaufen, kein Asyl gewähren, schrieb etwa der lettische Außenminister Gabrielius Landsbergis auf Twitter. Die Bundesrepublik drängt auf eine einheitliche EU-Linie, doch Beratungen brachten bisher kein Ergebnis dazu, wie die Europäische Union mit den Kriegsdienst-Verweigerern umgehen soll.
Reicht Asyl?
Einigen, zum Beispiel der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, geht die Debatte nicht weit genug. Man solle auch über den Zugang zu Asyl reden, denn etwa mit Pushbacks und den geschlossenen EU-Außengrenzen würden politisch verfolgte Russen erst gar nicht in die Lage gelangen, einen Asylantrag stellen zu können. Zum Beispiel sollten Visum-Anträge deswegen schneller bearbeitet werden, sagt der Verband.
Genau das Gegenteil hatte die EU allerdings Mitte September beschlossen: Vor allem für Touristen-Visa wurden die Hürden deutlich angehoben und der Antragsprozess verlängert. Für politische Kritiker soll es aber Ausnahmen geben. Ob darunter auch Kriegsdienst-Verweigerer fallen, das ist unklar. Um Mitternacht schließt Finnland seine Grenze für russische Touristen, insgesamt versuchen tausende Männer der Mobilmachung zu entfliehen. Doch wie die EU damit umgeht, darauf können sich die Mitgliedsstaaten auch weiterhin nicht einigen.
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