Immer mehr Staatsschulden: Kann Deutschland pleite gehen?

Staaten können nicht pleite gehen, so lautet ein weit verbreiter Irrglaube. Denn natürlich können Staaten zahlungsunfähig werden, wenn sie Zinsen oder Schuldenrückzahlungen nicht leisten können. Dann spricht man von einem Staatsbankrott. Bei 2,34 Billionen Euro lag die deutsche Staatsverschuldung laut dem Statistischen Bundesamt im ersten Halbjahr 2022. Mit weiteren 200 Milliarden will die Bundesregierung jetzt Bürger bei den Energiekosten entlasten. Vor einem Bankrott ist Deutschland trotzdem weit entfernt. Wir erklären warum.

Dass sich Staaten verschulden, ist völlig normal. Jedes Land der Welt hat hohe Schulden, um seine Aufgaben zu erfüllen. Solange regelmäßig Steuern eingenommen werden, können alte Kredite mit neuen Schulden getilgt werden. Ohne Schulden würde das System nicht funktionieren. Aktuell liegen die deutschen Schulden bei etwa 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also der hiesigen Wirtschaftsleistung. Im Vergleich: In den USA liegt sie bei 120 Prozent, 2021 lag die japanische Staatsschuldenquote sogar über 260 Prozent.

Im internationalen Vergleich steht Deutschland gut da

Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen liegt heute laut der Bundesbank bei 2,33 Prozent. Staatsanleihen sind ähnlich wie Kredite. Anleger leihen dem Staat Geld, die Höhe der Zinsen richtet sich danach, wie zuverlässig und pünktlich Staaten ihre Schulden begleichen. Lange musste Deutschland gar keine Zinsen zahlen, 2020 lagen sie noch im Minusbereich.

Die Zinsen für US-amerikanische Staatsanleihen liegen derzeit deutlich höher, bei etwa 3,95 Prozent. Für Deutschland sind neue Schulden also deutlich günstiger als für die Vereinigten Staaten. Solange die Regierungen finanzielles Vertrauen an den Märkten genießen, bleiben die Zinsen niedrig. Politische Handlungen können den Zinskurs aber schnell in die Höhe treiben, erst kürzlich von der neuen britischen Premierministerin Liz Truss bewiesen. Ein scharf kritisiertes Steuerentlastungspaket führte zu panischen Reaktionen in der Finanzwelt, der Zinskurs stieg rapide auf heute fast 4,5 Prozent.

Inflation und Verschuldung

Inflation ist für Kreditnehmer grundsätzlich gut: Ihre Schulden verlieren an Wert. Für alte Schulden ist die Inflation also gut, will oder muss sich der Staat allerdings neu verschulden, treibt das – wie derzeit – die Zinsen in die Höhe. Eine zu hohe und schnell steigende Inflation kann einen Staat also schnell an den Abgrund des Staatsbankrotts bringen.

Zusammenfassung: Schulden sind nicht schlimm, aber…

Staatsschulden sind notwendig, es kommt aber auch immer auf den Zweck an. Während man mit Investitionen künftige Generationen stärkt, werden sie mit Krediten für Sozialleistungen nur mit Schulden belastet. Deswegen gibt es in Deutschland die Schuldenbremse, den Bundesländern wird eine Neuverschuldung komplett untersagt, der Bund darf jährlich Kredite in Höhe von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen. In Krisenzeiten darf die Schuldenbremse ausgesetzt werden, seit 2020 ist das so. Im nächsten Jahr soll sie wieder in Kraft treten.

Linke Politiker, etwa prominente Jusos (Jugendorganisation der SPD), sähen daran Zweifel.

Quellen:

  1. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/09/PD22_411_713.html;jsessionid=8C7C659CDB7F56C4E1D474EC5CB83550.live732
  2. https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/immer-mehr-schulden-geht-das,TIvSwM8
  3. https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-lexikon/321093/schuldenbremse/
  4. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/152666/umfrage/staatsverschuldung-japans-in-relation-zum-bruttoinlandsprodukt-bip/#:~:text=Im%20Jahr%202021%20betr%C3%A4gt%20die,263%2C14%20Prozent%20des%20Bruttoinlandsprodukts.
  5. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Video-Textfassungen/Finanzisch-fuer-Anfaenger/textfassung-finanzisch-fuer-anfaenger-staatsanleihen.html
  6. https://www.bundesbank.de/de/statistiken/geld-und-kapitalmaerkte/zinssaetze-und-renditen/taegliche-renditen-der-jeweils-juengsten-bundeswertpapiere-772218
  7. https://de.investing.com/rates-bonds/uk-10-year-bond-yield
  8. https://www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/wirtschafts-finanz-steuerpolitik/++co++40f2a9c2-cf35-11eb-9060-001a4a160123
  9. https://www.ifo.de/medienbeitrag/2021-07-05/bundeshaushalt-deutschland-muss-wieder-auf-die-schuldenbremse-treten
  10. https://www.oldenburger-onlinezeitung.de/nachrichten/juso-vorsitzende-stellt-schuldenbremse-weiterhin-infrage-93076.html
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